Rebjahr und Weinlese 2024 im Kanton St. Gallen

Simone Aberer, Landwirtschaftliches Zentrum SG, Fachstelle Weinbau, Salez

Ein anspruchsvolles Jahr neigt sich langsam dem Ende. Es ist nichts Neues mehr, dass sich Extremwetterereignisse anhäufen. Dieses Jahr hatten die Winzerinnen und Winzer mit einem enormen Druck von Falschem Mehltau zu kämpfen, da es ständig geregnet hatte. Teilweise war es unmöglich die Fahrgassen zu befahren, um den Pflanzenschutz rechtzeitig erledigen zu können. Auch der goldene Herbst liess zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz kann man sich auf den Jahrgang 2024 freuen. Die kühlen Nächte im September haben es vollbracht eine fantastische Aromatik in die Keller zu bringen, zudem glänzen die Jungweine bereits jetzt mit einer guten Struktur bei moderatem Alkoholgehalt. Das ist nicht selbstverständlich, wo man sich doch langsam an eine Ernte im T-Shirt gewöhnt hat.

Ernte Johanniter in Frümsen (c) Mario Eggenberger, Betriebsleiter Staatswingert, LZSG

Winter, Frühling

Dieser Winter war verhältnismässig mild, der Februar war sogar der wärmste in der Schweiz seit 1864 und weltweit gesehen war er sogar der Wärmste seit 1979 (Quelle: Weltweit wärmster Februar und Winter – MeteoSchweiz). Diese Situation versprach wieder einen sehr frühen Austrieb und brachte damit die Gefahr von Spätfrösten mit sich.

Räumliche Verteilung der weltweiten Februartemperatur 2024 als Abweichung zum Durchschnitt 1991‒2020 in °C. Quelle: Copernicus (Weltweit wärmster Februar und Winter - MeteoSchweiz).

Dem war auch so, Ende März waren die Knospen im Staatswingert Frümsen schon sehr stark angeschwollen, bei ganzen frühen Sorten stand der Knospenausbruch unmittelbar bevor. Der Austrieb erfolgte dann in der ersten Aprilwoche, also rund drei Wochen früher als im Jahr 2023. Zudem wurde es wieder kalt im April, Frostgefahr bestand vom 18.04 – 23.04. Temperaturen unter 0°C konnten am 21. und 22. April verzeichnet werden. Vereinzelt kam es vermutlich zu ganz leichten Schädigungen. Vermehrt war jedoch eine Stresssituation der Rebe zu beobachten. Die Rebe brauchte einige Zeit, um sich zu erholen und der Wuchs ging nur zögerlich voran. So wurde der Vegetationsfortschritt von gut drei Wochen wieder etwas eingebremst. Dennoch zeichnete sich ein früher Beginn der Pflanzenschutzsaison ab.

Pflanzenschutzsaison

Der Pflanzenschutz im Jahr 2024 war eine der herausforderndsten seit vielen Jahren, von Winzerinnen und Winzer hörte ich öfter, «Sowas habe ich noch nie erlebt». Der Beginn der Pflanzenschutzsaison wird eingeläutet, wenn alle Bedingungen für erste Infektionen des Falschen Mehltaus erreicht werden. Ab dann sollte die Winzerinnen und Winzer parat sein, um erste Applikationen setzen zu können. Eine erste Bodeninfektion wurde vom Prognosemodell Agrometeo (Agrometeo – Agrometeo) für die Wetterstation in Frümsen bereits am 10. April errechnet. Andere Station erreichten um den 15. April die Bedingungen für erste Infektionen. Dies war der Beginn einer langen und intensiven Pflanzenschutzsaison. Aufgrund der ständigen Niederschläge waren die Böden komplett durchnässt, was die Befahrbarkeit stark erschwerte. Zudem gab es wenige trockene Zeitfenster um gezielt eine Behandlung zu setzen. Einige Winzerinnen und Winzer mussten deshalb Ertragseinbussen in Kauf nehmen. Die nachstehende Tabelle zeigt die Niederschläge in den Monaten April-August von den Jahren 2022-2024. Die Monate Mai und Juni waren sehr nass und über dem Durchschnitt. Auch der Juli war noch sehr nass, im August hat sich dann das Wetter gebessert.

Niederschläge 2022-2024 im Kanton St. Gallen in den verschiedenen Gemeinden von April-August. Angaben in mm/m2. Daten sind aus Agrometeo und MeteoSchweiz generiert.

Sommer

Wie oben auf der Tabelle ersichtlich, war auch der Juni noch sehr nass. Die schlechte Witterung führte zu einer starken Verrieselung bei diversen Rebsorten. Teilweise waren die PIWI-Sorten stärker von der Verrieselung betroffen. Es ist jedoch schwierig eine konkrete Aussage zu machen, da keine Bonituren durchgeführt wurden. Neben dem starken Druck des Falschen Mehltaus führte auch dieser Faktor zu einer weiteren Reduktion der Ernte. Somit war im Sommer schon klar, dass es im Jahr 2024 wohl keine grosse Ernte geben wird. Der einzige Vorteil eines schwachen Behangs am Stock ist, dass die Rebe sich um weniger Trauben kümmern muss und somit die Qualität verbessert wird.

Info: Die Verrieselung ist eine Befruchtungsstörung und bedeutet, dass ungewöhnlich viele Blüten abgestossen werden, was letztendlich zu einem geringeren Ertrag führt. Verschiedene Faktoren können eine Verrieselung begünstigen, zu diesen zählt auch eine kühle und nasse Witterung während der Blütephase.

Starke Verrieselung bei Divona, Frümsen (c) Fachstelle Weinbau, LZSG, 24.06.2024

Ernte

Im August besserte sich das Wetter und die Hoffnung auf einen goldenen Herbst stieg. Leider wurden Winzerinnen und Winzer auch diesbezüglich enttäuscht. Der September war wieder sehr wechselhaft und unbeständig. Dies erschwerte die Planung der Lesetermine und es musste jeder schöne Tag genutzt werden, um die Trauben bei bester Gesundheit ernten zu können. Aufgrund der Witterung erstreckte sich die Lese über einen relativ langen Zeitraum, dies war aber notwendig, um Sortenspezifisch die perfekte Reife zu erreichen. Dennoch haben wir bei spät reifen Sorten tiefere Öchsleschnitte erreicht als im Vorjahr, der Blauburgunder hielte sich dafür konstant. Die Lese begann auch dieses Jahr wieder sehr früh, der früheste Traubenposten wurde bereits am 30.08.2024 geerntet. Die Haupternte der weissen Sorten begann am 5. September, die roten Sorten folgten Mitte September. Der Grossteil der spät reifen Sorten wie Merlot, Diolinoir oder Cabernet Sauvignon wurden Ende Oktober gelesen. Der allerletzte Posten traf am 12.11.2024 im Keller ein. Somit endet ein turbulentes und herausforderndes Weinjahr. Natürlich geht die Arbeit im Keller weiter, auch in den Rebbergen gibt es zu tun. Die grossen Betriebe fangen bereits mit dem Rebschnitt an, auch diverse Mulcharbeiten werden noch ausgeführt, bevor sich dann auch die Winzerinnen und Winzer ein wenig erholen können.

Wenn man die Gesamterntemenge mit dem 10-jähirgen Schnitt (963`759 kg) vergleicht, wurden dieses Jahr (733`559 kg) rund 24% weniger geerntet. Im Vergleich zum Vorjahr 2023 (1`054`597 kg) wurden sogar 30% weniger Trauben geerntet. Die Hauptverlierer dieses Jahr waren dabei die roten Sorten (413`709 kg) mit gut 32% weniger Ertrag als im 10-jährigen Schnitt (636`434 kg). Die Weissweinernte liegt nur knapp unter dem 10-jährigen Schnitt.

Entwicklung der Erntemenge im Kanton St. Gallen von 2015-2024.

Eine kurze Einschätzung des Jahrgangs 2024

Die Menge ist dieses Jahr bescheiden, etwas mehr als im nassen Jahr 2021. Die Qualität hingegen ist sehr hoch. Die Aromatik der Weine wird super werden, die kühlen Nächte im September haben diese Entwicklung begünstigt. Teilweise werden die Weine etwas niedriger im Alkoholgehalt sein, aber für Geniesserinnen und Geniesser alkoholärmerer Weine spielt dies in die Karten. Dennoch wird es auch kräftige Rotweine vom Jahrgang 2024 geben, welche von einer guten Struktur profitieren und eine Langlebigkeit mit sich bringen werden.

Huglin Index und Sortenwahl

Der Huglin-Index ist ein wichtiger Klimaparameter, der in der Weinbaukunde verwendet wird, um die Eignung eines bestimmten Gebiets für den Anbau von Rebsorten zu bewerten. Er wurde von Pierre Huglin entwickelt und dient dazu, das Wärmepotenzial eines Standorts während der Vegetationsperiode zu quantifizieren. Der Huglin-Index (HI) basiert auf der Summe der täglichen Mitteltemperaturen über einem Schwellenwert von 10 °C während der Vegetationsperiode, multipliziert mit einem Korrekturfaktor, der die Tageslänge berücksichtigt. Die Vegetationsperiode wird dabei von April bis September (Nordhalbkugel) oder Oktober bis März (Südhalbkugel) angesetzt.

 

Einfluss auf die Rebsortenwahl:

  1. Frühreife Sorten: In kühleren Regionen (niedriger Huglin-Index) gedeihen Sorten, die weniger Wärme benötigen, wie Riesling oder Pinot Noir.
  2. Spätreife Sorten: In Regionen mit hohem Huglin-Index können spät reifende Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Shiraz vollständig ausreifen.
  3. Klimawandel: Mit steigenden Temperaturen verschieben sich die Huglin-Index-Bereiche nach oben, wodurch wärmeliebende Sorten in ehemals kühleren Gebieten angebaut werden können.

 

Auch die Winzerinnen und Winzer im Kanton St. Gallen machen sich Gedanken über die künftige Sortenwahl. Der Rebbau zählt zu den Dauerkulturen und es ist immer das Ziel, dass Rebberge möglichst lange erhalten werden können. Umso mehr spielt es eine Rolle die richtige Sorte zu wählen. In der nächsten Abbildung zeigt sich der Huglin-Index für zwei Standorte im Kanton St. Gallen von 2018-2024. Wenn man die Jahre vergleicht, haben wir doch sehr unterschiedliche Ergebnisse und sind im Moment sehr stark von warmen und kühlen Jahren geprägt.

Huglin Index von Thal und Sargans, 2018-2024. Daten aus Agrometeo generiert.

Wenn man den Mittelwert der beiden Stationen über die Jahre hernimmt, kommt man auf ca. 1870. Wenn man diesen Wert mit der Sortenempfehlung auf der Abbildung 5 vergleicht, so fühlt sich der Blauburgunder doch noch recht wohl bei uns. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Extremwetterereignisse, welche die Reben in Stresssituationen bringen sowie auch die Winzerinnen und Winzer an ihre Grenzen bringen.

Quelle: Annelie Holzkämper, Jürg Fuhrer, Christoph Frei. Temperaturtrends und Rebbau in der Schweiz, Schweizerische Zeitschrift für Obst und Weinbau 1/13.

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